
Vorstellung der Ergebnisse in der Landespressekonferenz im Hessischen Landtag
Fahrradklima-Test 2024: Hessische Städte setzen Akzente für den Radverkehr
Frankfurt belegt bei den Städten mit mehr als 500.000 Einwohnenden erstmals Platz eins. Bereits zum vierten Mal in Folge siegt Baunatal in seiner Kategorie. Frankenberg ist bester Aufholer in der Kategorie Kleinstädte bis 20.000 Einwohnende.
- Frankfurt am Main und Baunatal belegen jeweils Platz 1
- Frankenberg als bester Aufholer ausgezeichnet
- Das Fahrradklima in Hessen hellt sich allgemein leicht auf
- ADFC: Strukturen der Radverkehrsförderung beginnen zu greifen und müssen weiter ausgebaut werden
Wiesbaden/Berlin, 17. Juni 2025 – Zwei hessische Städte stehen beim deutschlandweiten ADFC-Fahrradklima-Test ganz oben auf dem Podest: Frankfurt am Main überholt mit der Note 3,49 Bremen und belegt bei den 15 deutschen Städten mit mehr als 500.000 Einwohnenden erstmals Platz eins. Bereits zum vierten Mal in Folge siegt Baunatal mit der Note 2,53 in seiner Kategorie. Frankenberg/Eder erhält die Auszeichnung als bester Aufholer in der Kategorie Kleinstädte bis 20.000 Einwohnende. In der Kategorie Großstädte unter 200.000 Einwohnende erreicht Darmstadt mit der Note 3,55 den zweiten Platz. Knapp 18.000 Bürgerinnen und Bürger in Hessen hatten im Herbst 2024 an der Befragung teilgenommen, dabei kamen in 122 hessischen Kommunen jeweils genug Online-Interviews zustande, um in die Wertung zu kommen (2022: 111). Über die Spitzenplatzierungen hinaus zeigen die Noten der hessischen Städte und Gemeinden auch insgesamt einen leichten Aufwärtstrend, der auf verschiedene Fördermaßnahmen des Landes Hessen zurückgeführt werden kann.
Mit Bestnoten bei den Kriterien „Erreichbarkeit des Stadtzentrums“ und „zügiges Radfahren“ erzielt Baunatal bereits zum vierten Mal in Folge den ersten Platz bei Kommunen mit 20.000 bis 50.000 Einwohnenden, von denen bundesweit 429 in die Wertung kamen. „Verbesserungen wie die 2024 mit Landesförderung eingerichtete Fahrradstraße als Beginn einer Raddirektverbindung nach Kassel und ähnliche Förderprojekte kommen sichtlich an bei den Radfahrenden“, lobt Ansgar Hegerfeld, Vorsitzender des ADFC Hessen, das kontinuierlich hohe Engagement der nordhessischen Kleinstadt, das sich auch in Form einer seit 2005 bestehenden städtischen Projektgruppe „Radwege“ zeige.
Frankfurt am Main hat sich im Fahrradklimatest um 0,12 Notenpunkte verbessert und erreicht nach den Plätzen 3 (2020) und 2 (20222) nun erstmals den ersten Platz in der Kategorie der Großstädte über 500.000 Einwohnende. Die deutlichste Verbesserung erzielte Frankfurt bei der „Breite der Radwege“. Seit 2019 hat Frankfurt rund 40 Kilometer neue Radwege angelegt, oft entlang von Hauptverkehrsstraßen und mit einer Breite von 2,3 Metern. „Durch breite, sichere und komfortable Radwege werden alltägliche Ziele leichter erreichbar und sorgen damit für Spaß am Radfahren“, begründet Hegerfeld die Wichtigkeit breiter, hindernisfreier Radwege für ein gutes Fahrradklima. Eine Vielzahl der in Frankfurt erreichten Verbesserungen – einschließlich der Einrichtung von fahrradfreundlichen Nebenstraßen und der deutlichen Erhöhung der Fahrradabstellplätze – geht auf eine Vereinbarung der Stadt Frankfurt mit dem 2018 durch 40.000 Unterschriften unterstützten Radentscheid zurück, für den sich der ADFC entscheidend engagierte. Weiteren Verbesserungsbedarf sieht der ADFC in Frankfurt bei der Falschparkerkontrolle und den Ampelschaltungen.
Mit der Verbesserung um gut eine halbe Note 3,24 (2022: 3,78) erhält Frankenberg /Eder bei den kleinen Kommunen bis 20.000 Einwohnende die Auszeichnung als bester Aufholer. Die Kreisstadt setzt ein 2020 mit Landesmitteln gefördertes Radverkehrskonzept um und hat in den letzten Jahren drei Rad- und Fußbrücken über die Eder gebaut sowie neue Radwege entlang des Flusses angelegt. Die Projekte im Gesamtvolumen von 13 Millionen Euro wurden zu einem hohen Anteil durch Bundes- und Landesmittel gefördert und 2024 mit dem Deutschen Fahrradpreis ausgezeichnet. „Frankenberg zeigt eindrucksvoll, wie wichtig Förderprojekte insbesondere des Landes Hessen für den Ausbau der kommunalen Radverkehrsinfrastruktur sind. Die Kommunen brauchen diese hocheffektive Unterstützung auch weiterhin, um klimafreundliche Mobilität zu entwickeln. Die Mittel aus dem Infrastruktur-Sondervermögen sollte das Land auch in eine Ausweitung dieser hochwirksamen Förderung investieren“, erklärt Silke Westermeier, Mitglied im Vorstand des ADFC Hessen.
Einen Podiumsplatz hat auch Darmstadt errungen. Die leichte Verbesserung auf 3,55 (2022: 3,58) genügt, um auf Platz 2 (2022: 3) vorzurücken. Mehrere Kriterien werden minimal besser bewertet, doch bei „Fahrradförderung in jüngster Zeit“ und „Werbung fürs Radfahren“ verschlechtert sich die südhessische Großstadt je um rund eine halbe Note – für den ADFC Hessen ein Alarmsignal: „Ganz anders als in Frankfurt scheint in Darmstadt der nach dem Radentscheid 2018 begonnene Schwung weitgehend verloren gegangen zu sein. Um zukünftig als radverkehrsfreundlich bewertet zu werden, muss die Stadt nun dringend wieder Anschluss an das Engagement der vergangenen Jahre finden“, appelliert Westermeier.
Dagegen stark verbessert in der Fahrradförderung der jüngsten Zeit hat sich Kassel (um 0,7 Notenpunkte und kommt mit der Gesamtnote 3,92 (2022: 4,08) auf Platz 9 (2022: 14) der Städte zwischen 200.000 und 500.000 Einwohnenden. Auch die verbesserte Situation bei den Abstellplätzen bringt Kassel weiter nach vorn. Die nordhessische Metropole schiebt sich vor Wiesbaden, das sich mit 3,98 leicht verschlechtert (2022: 3,95) und auf Platz 11 zurückfällt (2022: Platz 8). „Es sind vor allem die dauerhaft sehr mäßigen Einzelnoten beim Radfahren im Mischverkehr und bei Konflikten mit dem Autoverkehr, weshalb Wiesbaden nicht besser vorankommt. Mehr separate, breite und komfortable Radwege könnten in der Landeshauptstadt einen Umschwung bewirken“, bewertet Landesvorsitzender Hegerfeld die Situation.
Stark verbessert bei den Städten zwischen 20.000 und 50.000 Einwohnenden hat sich auch die Kreisstadt Dietzenbach im Landkreis Offenbach, die mit der Gesamtnote 3,49 (2022: 3,82) landesweit Platz 3 in dieser Kategorie belegt. Noch 2018 kam Dietzenbach nicht über den 33. Platz hinaus und war damit Vorletzter in Hessen. Inzwischen hat Dietzenbach einen ehrenamtlichen Radverkehrsbeauftragten aus den Reihen des ADFC ernannt, zahlreiche, durch Fördermittel mitfinanzierte Abstellbügel aufgestellt und die Durchgangsstraße L3001 von 2021 bis 2023 radverkehrsfreundlich umgestaltet. Zum Teil wurden Fahrstreifen in breite Radfahrstreifen umgewandelt: „Solche Maßnahmen verbessern sprunghaft die Bewertung für die Erreichbarkeit des Stadtzentrums und für zügiges Radfahren“, erläutert Silke Westermeier.
Moderate Aufhellung in der Gesamtentwicklung in Hessen – Nahmobilitätsförderung wirkt
Hinsichtlich der Notenentwicklung in den hessischen Kommunen ergibt sich beim Fahrradklima-Test 2024 das Gesamtbild, dass sich 50 Kommunen verbessern konnten (2022: 22), während sich 41 verschlechterten (2022: 58). 27 Kommunen verbessern sich deutlich, dem stehen 9 signifikante Verschlechterungen entgegen. Insgesamt hellt sich das Fahrradklima in Hessen also moderat auf.
Die Unterstützung des Landes erstreckt sich nicht allein auf finanzielle Zuwendungen durch Förderprogramme, darüber hinaus trägt die Arbeitsgemeinschaft Nahmobilität Hessen (AGNH) auch dringend benötigtes Know-how in Form von Musterlösungen und Weiterbildungen flächendeckend in die Rathäuser. Doch ausgerechnet hier hatte das Land mit dem Haushalt 2025 den Rotstift angesetzt. Dazu Silke Westermeier: „Damit insbesondere kleinere Kommunen eine Chance haben, eine radverkehrsfreundliche Infrastruktur für ihre Bürgerinnen und Bürger zu entwickeln, muss diese sehr kosteneffiziente Unterstützung durch die AGNH eher ausgeweitet als eingeschränkt werden. Deshalb müssen die Kürzungen im Landeshaushalt 2025 zurückgenommen werden“, betont Silke Westermeier.
„Durchgängige und breite Radwege in jeder Kommune zu schaffen, ist die Grundvoraussetzung dafür allen Menschen eine echte Freiheit bei der Wahl ihres Verkehrsmittels zu ermöglichen. Wir denken hier ganz besonders auch an Kinder, Ältere und andere Menschen, die sich in den bestehender Infrastruktur oft unsicher fühlen oder sogar objektiv gefährdet sind. Mit der AGNH bietet das Land Hessen den 282 in ihr vertretenen Kommunen eine niedrigschwellige Unterstützung. Die Förderung bildet das tragfähige Fundament, auf dem ein Fahrradland Hessen entstehen kann“, erklärt Landesvorsitzender Hegerfeld.
Verbreitetes Unbehagen, wenn Autofahrende zu eng überholen
Beim Land Hessen sieht der ADFC aber nicht nur das Wirtschafts- und Verkehrsministerium in der Pflicht, sondern auch das Innenministerium in der Verantwortung für ein besseres Fahrradklima: Eine Sonderbefragung im Fahrradklima-Test 2024 zum „Miteinander im Verkehr“ ergab flächendeckend den Befund, dass Radfahrende den seitlichen Abstand, mit dem sie von Kraftfahrzeugführenden überholt werden, als viel zu gering wahrnehmen und sich dadurch gefährdet fühlen. Messungen des ADFC mit Spezialgeräten bestätigen diese subjektiven Eindrücke auch objektiv. Ansgar Hegerfeld: „Bei der Überwachung des vorgeschriebenen Überholabstands von 1,5 Metern innerorts und zwei Metern außerhalb von Ortschaften wünschen wir uns bedeutend mehr Engagement der Landespolizei. Auch mehr Aufklärungsarbeit über die Gefahren zu engen Überholens ist dringend nötig.“
Weitere Informationen zum Hintergrund des ADFC-Fahrradklima-Test 2024
Der Fahrradklima-Test ist eine nicht repräsentative Befragung von ADFC und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, an der sich im Herbst 2024 insgesamt 213.000 Menschen bundesweit beteiligt haben. Dabei wurden 1.047 Städte in sechs verschiedenen Größenklassen (> 0,5 Mio. EW / 200.000-500.000 EW / 100.000-200.000 EW / 50.000-100.000 EW/ 20.000-50.000 EW / < 20.000 EW) bewertet. Die Umfrage wurde insgesamt zum 11. Mal durchgeführt. Seit 2012 findet sie zweijährlich statt.